Singe
Singe hier, singe da, singe immer und wieder
liebliche Nachtigall
Singe
über das Moor hinweg
über finsterkalte Sümpfe
Dein Gesang ströme
über dumpfen Asphalt der Täglichkeit
über unvermenschte Wälder
feierliche Pracht der Sterne
Singe in herzensvolle Seelen
liebliche Nachtigall
du
sanftweise Komponistin
mit dem silberschönen Gefieder
Singe hier, singe da, singe immer und wieder
Singe hinein
in Gebrochene
Verzweifelte
in Zornverhüllte
Friedensferne
in Mutlose,
Liebesuchende,
in Todliebkosende
Vergiss sie nicht
Singe für jene
deren Hände ich hielt
und für die
deren Hände ich nie halten werde
Singe hier, singe da, singe immer und wieder.
Wenn dein Gesang verstummt
ertönt meine Stimme vom Weh.
Wenn ich Gott wäre
Ich bin ein Mensch
Doch
Wenn ich Gott wäre
Was würd ich alles richten!
Oh, was würde ich
tun mit diesen Wichten?
Verstand würd ich
ihnen lehren.
Zur Liebe würde ich sie
bekehren.
Ich bin ein Mensch
Doch
Wenn ich Gott wäre
Was würd ich alles richten
Nein, ich würde
nicht mehr dichten.
Ich würde die Erkenntnis
des Guten ihnen zeigen
damit Respekt und Achtung
ihnen wird zu eigen.
Ich bin ein Mensch
Doch
wenn ich Gott wäre
was würd ich alles richten!
Hass mit Liebe würde
ich vernichten
Oh, und das Leben wäre
diesen Erdenzwergen allzu
leicht
Wenn man es nicht
mit Zwängen nur vergleicht.
Ich bin ein Mensch
Doch
Wenn ich Gott wäre
Was würd ich alles richten
Dem Teufel müsst ich mich
verpflichten
Oh, und wenn er zu mir
als Engel käme wieder
Blieb ich lieber Mensch.
Und das wär mir zuwider!
( Auszug aus dem Manuskript „Als die Amsel verstummte“)
Ein Tag im Mai
Aus Staub wurde Licht
und Worte flossen in das schöne Gefieder der Taube.
Die schönste, die ich je erblickt.
Ein lieblich Mädchen mit rotgold‘nem Haar
ging an einem Tag im Mai neben mir ein Stück.
Tröstete mir mit glockiger Stimme
die Bitterkeit von meinen Lippen.
So jung war sie. Doch weise schon.
Mit Gedanken aus Himmel und Meer.
Erdbeerwolken und finsteren Wassern.
Und sommerschön wie roter Mohn.
Vielleicht spielt sie mir bald,
hinein mit ihrem streichenden Klang
in meinen ersten weißgesträhnten Sommer,
tief unter meine ädrig gewordene Haut?
Verwandelt meine schwerträgen Worte. Besüsst meine Trauer?
Und mir irgendwer da draußen, alles was ich schreibe, glaubt.
Weil sie mir etwas hinterlässt.
Spielt Flammendes in meinen spröde geword‘nen Mund.
Hält mich, ohne mich zu halten. Fest.
Und
meine Haut würde nicht mehr sein wie Pergament
und mein Herz nicht mehr aus rotem Eis. Kaltrot und leer.
Wer weiß? Was ist mir heute begegnet. Wer?
Ich wollte wissen
Ich wollte wissen
was dich anrührt
inmitten des Kerzenscheins,
als die Zeiger der Uhr
über die Zeit flossen
wie unsere Küsse
über die herbstliche Haut,
deine Lippen willig
an meinem späten
Busen
Mein Haar wie Regen
auf deine Wangen fiel,
als ich deine Augen sah
eine Insel unter dem Meer
Die mich lockten
mich über dir auszubreiten
damit du aus mir trinkst
wie aus einem Kelch
ungarischen Weines.
Ich wollte wissen
ob es meine Haut ist
Meine süß würzige Fülle
oder mein
tiefer Grund.
Ach, warum wissen?
Warum nur immer dieses
Und?
Als du gingst,
waren meine Schultern
leicht.
Der komische Kauz
von Gegenüber
mit dem weißen Bart,
der aus der Alltäglichzeit,
lächelte.
Ob er es wissen wollt?
Für H.
Auszug aus dem Gedichtband „Was von mir bleibt“ – mit den schönsten Gedichten aus 10 Jahren meines Wirkens als Poetin.